Jemand fragte Debussy, wie er komponiere. Er sagte: Ich nehme alle Töne, die es gibt, lasse diejenigen weg, die ich nicht will, und verwende alle andern.“ Das ist hinreißend formuliert und gar nicht nur als ironische Antwort auf eine schwierige Frage gemeint. Tatsächlich ist das Komponieren (eigentlich bedeutet das Wort ja „zusammenführen, -setzen“) eher ein Weglassen, und ist es immer mehr, in unserer an Möglichkeiten so überreichen, geradezu überreizten Zeit. Zum Scheitern verurteilt sind alle, die ihre Schöpfungen umfassend, allgemein gültig oder sogar allgemein verständlich formen wollen, egal in welcher Musikart sie es versuchen. Die Herausforderung ist mehr denn je, der sprichwörtlichen Qual der Wahl zu begegnen.
Umso erstaunlicher, immer wieder Menschen zu finden, die dieses Problem offenbar ganz leicht nehmen können. Etwa der Flötist, Saxophonist, Schlagwerker und Komponist Daniele Sepe aus Neapel. Seit den 1970er Jahren praktiziert er die Debussy’sche Kunst des Weglassens. Ob in kargen Duos oder pompös dimensionierten Ensembles; ob mehr der klassischen Avantgarde oder World Music zugewandt; konkret auf neapolitanische Canzone bezogen oder in einer Art virtuellen Mittelalter-Stiles; in Form eines Arbeitsliedes oder als klassisches Instrumentalstück: Stets habe ich von meinem Horchposten aus den Eindruck, Sepe habe genau das Unnotwendige weggelassen. Oder doch das Notwendige „zugelassen“…?
Daniele Sepes CDs sind bei den verschiedensten Labels erschienen, u.a. bei: Piranha und Compagnia Nuove Indie. Die neueste heißt „Senza Filtro“.
Weitere Auskünfte: www.danielesepe.com
(Das Zitat zu Beginn stammt aus: John Cage.
Silence Bibliothek Suhrkamp.)